Zusammenfassung des Urteils B 2018/218: Verwaltungsgericht
Das Verwaltungsgericht hat in einem langwierigen Verfahren über die Erteilung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung für A. entschieden. A. ist türkische Staatsangehörige und lebt seit 1990 mit ihrer Familie in der Schweiz. Trotz mehrerer Gesuche wurde ihr die Bewilligung verweigert, da die finanzielle Situation als unzureichend betrachtet wurde. Auch die Integration in die Gesellschaft wurde als nicht ausreichend angesehen. A. erhob Beschwerde, die jedoch abgewiesen wurde. Das Gericht argumentierte, dass kein persönlicher Härtefall vorliege und das öffentliche Interesse an der Nichterteilung der Bewilligung überwiege. Die Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen, und A. wurden die Gerichtskosten auferlegt.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | B 2018/218 |
Instanz: | Verwaltungsgericht |
Abteilung: | Verwaltungsgericht |
Datum: | 06.04.2019 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Ausländerrecht, Art. 84 Abs. 5 AuG, Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG. Die Beschwerdeführerin, geboren 1960, ist türkische Staatsangehörige. Sie reiste 1990 zu ihrem türkischen Ehemann in die Schweiz und wurde in dessen Asylgesuch aufgenommen. Sie wurden 1992 als Flüchtlinge anerkannt und in der Schweiz vorläufig aufgenommen. In diesen Status wurden auch ihre 1985, 1991, 1992 und 1993 geborenen Kinder einbezogen. Die Beschwerdeführerin ersuchte mehrfach, letztmals im August 2017 erfolglos um Erteilung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung. Dass die Beschwerdeführerin die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung als Schritt auf dem Weg zur schweizerischen Staatsbürgerschaft ansieht, begründet ebenso wenig einen Härtefall wie die geltend gemachte psychische Belastung aufgrund der Ungewissheit bezüglich ihrer zukünftigen Aufenthaltssituation. Die von der Beschwerdeführerin angeführte bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach eine über viele Jahre hinweg verlängerte vorläufige Aufnahme faktisch zu einem Dauerstatus und unter diesen Umständen ein faktisches Anwesenheitsrecht begründet, bezieht sich – anders als vorliegend – auf Fälle, in denen einerseits ein Familiennachzug oder anderseits die Wegweisung einer Person zur Debatte stand. Die Beschwerde wird abgewiesen (Verwaltungsgericht, |
Schlagwörter: | Aufenthalt; Aufenthaltsbewilligung; Schweiz; Erteilung; Integration; Migration; Vorinstanz; Gesuch; Ausländer; Härtefall; Entscheid; Migrationsamt; Verfügung; Familie; Verhältnisse; Sozialhilfe; Verwaltungsgericht; Anwesenheit; Bundesamt; Erwerb; Verfahren |
Rechtsnorm: | Art. 53 AIG ;Art. 58a AIG ;Art. 63 AIG ;Art. 84 AIG ; |
Referenz BGE: | 126 II 377; 130 II 281; 130 II 39; |
Kommentar: | - |
Entscheid vom 6. April 2019
Besetzung
Abteilungspräsident Zürn; Verwaltungsrichterin Reiter, Verwaltungsrichter Zogg; a.o. Gerichtsschreiberin Dragomirovic
Verfahrensbeteiligte
A. ,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Claudio Wellington, Fähnernstrasse 4, 9000 St. Gallen,
gegen
Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St. Gallen, Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen,
Vorinstanz,
Gegenstand
Gesuch um Erteilung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung
Das Verwaltungsgericht stellt fest:
A. , geboren 1960, türkische Staatangehörige, reiste am 23. Juni 1990 zu ihrem
Ehemann B. , geboren 1956, türkischer Staatsangehöriger, in die Schweiz ein. Am
25. Juni 1990 beantragte sie erstmals Asyl in der Schweiz und wurde in das bereits eingereichte Asylgesuch ihres Ehemannes aufgenommen (Vorakten Migrationsamt, nachfolgend Dossier, S. 34 ff.). Das Bundesamt für Flüchtlinge (heute: Staatssekretariat für Migration) lehnte das Asylgesuch mit Verfügung vom 25. Februar 1992 ab. Die Eheleute A. und B. wurden aber als Flüchtlinge anerkannt und in der Schweiz vorläufig aufgenommen. In den Flüchtlingsstatus der Eltern wurden am 5. Februar 1993 die beiden Töchter, K. , geboren 1991, und L. , geboren 1992, einbezogen. Mit einem Touristenvisum reiste am 22. September 1993 die älteste Tochter M. , geboren 1985, in die Schweiz ein. Sowohl sie als auch das jüngste Kind des Ehepaares, Sohn P. , geboren 1993, wurden in den Flüchtlingsstatus der Eltern einbezogen.
Am 17. November 2003 reichte B. für sich und seine Familie ein Gesuch um
Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein. Dieses wies das Ausländeramt (heute
Migrationsamt) mit Verfügung vom 19. März 2004 ab. Ein weiteres Gesuch um Erteilung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung vom 10. März 2010 wurde mit Verfügung vom 11. November 2010 wegen strafrechtlicher Verurteilungen und fehlender finanzieller Unabhängigkeit abgewiesen und die Unterbreitung des Falles an das Bundesamt für Migration verweigert. Der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für die älteste Tochter M. (heute S. ) stimmte das Staatssekretariat für Migration auf Antrag des Migrationsamtes am 13. Juni 2009 zu.
Am 20. Mai 2012 reichte B. für sich und seine Familie ein neues Gesuch um Erteilung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung ein. Am 12. Juni 2012 stimmte das Staatssekretariat für Migration auf Antrag des Migrationsamtes der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für die Tochter L. zu. Das Gesuch für die restlichen Familienangehörigen wies das Migrationsamt hingegen aufgrund mangelnden Integrationswillens und mangels einer dauerhaft gesicherten wirtschaftlichen Existenz mit Verfügung vom 25. Februar 2013 ab und verweigerte die Unterbreitung des Falles an das Bundesamt für Migration. Den dagegen erhobenen Rekurs wies das Sicherheits- und Justizdepartement mit Entscheid vom 3. Februar 2014 ab.
Ein weiteres Gesuch um Erteilung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung reichte B. für sich und seine Familie am 10. April 2015 ein. Dieses wurde in der Folge vom Migrationsamt mit Verfügung vom 8. Juli 2015 ebenfalls abgewiesen und die Unterbreitung des Falles an das Bundesamt für Migration wurde verweigert.
Der Tochter K. wurde auf Gesuch hin per 27. März 2017 die
Aufenthaltsbewilligung erteilt. Das zuletzt eingereichte Gesuch des Sohnes P. wies das Migrationsamt hingegen am 10. April 2017 insbesondere wegen Straffälligkeiten ab und verweigerte die Unterbreitung des Falles an das Bundesamt für Migration.
Am 2. August 2017 stellte A. , vertreten durch Claudio Wellington, für sich allein ein Gesuch um Erteilung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung. Das Migrationsamt wies das Gesuch mit Verfügung vom 26. Februar 2018 ab und verweigerte die Unterbreitung des Falles an das Bundesamt für Migration. Das Sicherheits- und Justizdepartement wies ihren gegen diese Verfügung erhobenen Rekurs am
18. September 2018 ab.
A. (Beschwerdeführerin) erhob gegen den am 18. September 2018 versandten Rekursentscheid des Sicherheits- und Justizdepartements (Vorinstanz) durch ihren Vertreter mit Eingabe vom 28. September 2018 (Poststempel vom 29. September 2018) Beschwerde beim Verwaltungsgericht mit dem Rechtsbegehren, das Gesuch um Erteilung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung sei einer erneuten vertieften Prüfung zu unterziehen. Zudem beantragte die Beschwerdeführerin die unentgeltliche Rechtspflege.
Mit verfahrensleitender Verfügung vom 2. Oktober 2018 entsprach der zuständige Abteilungspräsident dem Gesuch der Beschwerdeführerin um Befreiung von den amtlichen Kosten des Verfahrens. Die Vorinstanz beantragte in ihrer Vernehmlassung vom 12. Oktober 2018, die Beschwerde sei abzuweisen und verwies auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid. Am 19. Oktober 2018 nahm der Vertreter der Beschwerdeführerin auf der Gerichtskanzlei Einsicht in die Akten. Am 5. November 2018 nahm er für die Beschwerdeführerin Stellung. Die Vorinstanz verzichtete stillschweigend auf eine weitere Äusserung.
Auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid und die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur Begründung ihrer Anträge sowie die Akten wird, soweit wesentlich, in den Erwägungen eingegangen.
Darüber zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:
Das Verwaltungsgericht ist zum Entscheid in der Sache zuständig (Art. 59bis Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege; sGS 951.1, VRP). Die Beschwerdeführerin ist zur Beschwerde gegen den Rekursentscheid, mit dem ihr Rechtsmittel gegen die Verfügung des Migrationsamts vom 26. Februar 2018 abgewiesen wurde, befugt (Art. 64 in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1 VRP). Die Beschwerde gegen den am 18. September 2018 versandten Rekursentscheid wurde mit Eingabe vom 28. September 2018 (Poststempel vom 29. September 2018) rechtzeitig erhoben und erfüllt in formeller und inhaltlicher Hinsicht die gesetzlichen
Anforderungen (Art. 64 in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 1 VRP). Auf
die Beschwerde ist deshalb einzutreten.
Ausländerinnen und Ausländer können grundsätzlich nur bei Vorliegen von bestimmten Zulassungsvoraussetzungen eine Aufenthaltsbewilligung beantragen (vgl. Art. 18 ff. des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration [Ausländer- und Integrationsgesetz; SR 142.20, AIG]). Gemäss Art. 84
Abs. 5 AIG werden Gesuche um Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von vorläufig aufgenommenen Ausländerinnen und Ausländern, die sich seit mehr als fünf Jahren in der Schweiz aufhalten, unter Berücksichtigung der Integration, der familiären Verhältnisse und der Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Herkunftsstaat vertieft geprüft. Diese Bestimmung stellt keine eigene Rechtsgrundlage dar, sondern verweist implizit auf Art. 30 Abs. 1 Ingress und lit. b AIG. Danach kann von den Zulassungsvoraussetzungen gemäss Art. 18-29 AIG abgewichen werden, um schwerwiegenden persönlichen Härtefällen wichtigen öffentlichen Interessen Rechnung zu tragen. Diese gesetzlichen Grundlagen wurden mit der am 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Teilrevision des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer vom 16. Dezember 2016 nicht geändert (vgl. AS 2017 S. 6521, AS 2018
S. 3171).
Art. 30 Abs. 1 Ingress und lit. b AIG wird durch Art. 31 Abs. 1 der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (SR 142.201, VZAE) mit ausdrücklichem Hinweis im Randtitel, unter anderem auf Art. 84 Abs. 5 AIG, konkretisiert. Danach sind bei der Härtefallbeurteilung die Integration anhand der Integrationskriterien nach Artikel 58a Absatz 1 AIG (lit. a), die Familienverhältnisse, insbesondere der Zeitpunkt der Einschulung und die Dauer des Schulbesuchs der Kinder (lit. c), die finanziellen Verhältnisse (lit. d), die Dauer der Anwesenheit in der Schweiz (lit. e), der Gesundheitszustand (lit. f) und die Möglichkeit für eine Wiedereingliederung im Herkunftsstaat (lit. g) zu berücksichtigen. Gemäss den Integrationskriterien nach
Art. 58a Abs. 1 AIG, der am 1. Januar 2019 in Kraft getreten ist (vgl. AS 2018 S. 3171), muss die zuständige Behörde die Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (lit. a), die Respektierung der Werte der Bundesverfassung (lit. b), die Sprachkompetenzen (lit. c) und die Teilnahme am Wirtschaftsleben am Erwerb von Bildung (lit. d) berücksichtigen. Bereits in der bis 31. Dezember 2018 gültigen
Fassung verlangte Art. 31 Abs. 1 VZAE in allgemeiner Weise die Berücksichtigung der Integration (lit. a), der Respektierung der Rechtsordnung (lit. b) und der finanziellen Verhältnisse sowie des Willens zur Teilhabe am Wirtschaftsleben und zum Erwerb von Bildung (lit. d). Art. 58a AIG führt neu einzig auf Gesetzesstufe klare Integrationskriterien auf, die von den zuständigen Behörden bei ihren Entscheiden jedoch bereits gestützt auf Art. 31 Abs. 1 VZAE in der früheren Fassung berücksichtigt wurden (vgl. dazu Botschaft zur Änderung des Ausländergesetzes [Integration] vom
8. März 2013, in: BBl 2013 S. 2397 ff., S. 2427 ff.; Erläuternder Bericht des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements [EJPD] zur Änderung der VZAE vom 2. August 2018, S. 11.).
Die Aufzählung in Art. 31 Abs. 1 VZAE ist nicht abschliessend, und die Voraussetzungen müssen nicht kumulativ erfüllt sein. Für die Erteilung einer Härtefallbewilligung kann es genügen, dass eines einige der genannten Kriterien erfüllt sind (VerwGE B 2018/88 vom 20. Januar 2019 E. 2; VerwGE B 2010/294 vom
31. Mai 2011 E. 3, www.gerichte.sg.ch; BVGer C-1136/2013 vom 24. September 2013
E. 5.2). Da die Bestimmung auf verschiedene Härtefallregelungen im Ausländer- und Integrationsgesetz verweist, ist es denkbar, dass die Beurteilung von wichtigen persönlichen Gründen unterschiedlich ausfallen kann, je nach dem auf welche gesetzliche Ausgangslage sie sich bezieht (vgl. BGer 2C_195/2010 vom 23. Juni 2010 E. 6.3).
Die Voraussetzungen zur Anerkennung eines Härtefalls sind restriktiv zu handhaben. Die betroffene Person muss sich in einer persönlichen Notlage befinden. Das bedeutet, dass ihre Lebens- und Existenzberechtigung, gemessen am durchschnittlichen Schicksal von ausländischen Personen, in gesteigertem Mass in Frage gestellt sein müssen beziehungsweise die Verweigerung einer Abweichung von den Zulassungsvoraussetzungen für sie mit schweren Nachteilen verbunden wäre. Bei der Beurteilung eines Härtefalles müssen sämtliche Umstände des jeweiligen Einzelfalls berücksichtigt werden. Die Anerkennung als Härtefall setzt nicht zwingend voraus, dass die Anwesenheit in der Schweiz das einzige Mittel zur Verhinderung einer persönlichen Notlage darstellt. Auf der anderen Seite reichen eine lang dauernde Anwesenheit und eine fortgeschrittene soziale und berufliche Integration sowie klagloses Verhalten für sich alleine nicht aus, um einen schwerwiegenden persönlichen
Härtefall zu begründen. Vielmehr wird vorausgesetzt, dass die ausländische Person so enge Beziehungen zur Schweiz unterhält, dass von ihr nicht verlangt werden kann, in einem anderen Land, insbesondere in ihrem Heimatstaat zu leben. Berufliche, freundschaftliche und nachbarschaftliche Beziehungen, welche die betroffene Person während ihres Aufenthaltes in der Schweiz knüpfen konnte, genügen normalerweise nicht für eine Abweichung von den Zulassungsvoraussetzungen (vgl. VerwGE B 2018/88 vom 20. Januar 2019 E. 2; BVGer C-351/2010 vom 2. November 2012 E. 6.3, C-2240/2010 vom 14. Dezember 2012 E. 5.3 mit Hinweisen unter anderem auf BGE 130 II 39 E. 3). Nach der kantonalen Praxis ist eine dauerhafte wirtschaftliche Existenz anzustreben; berücksichtigt werden dabei die Prognose hinsichtlich Sozialhilfeabhängigkeit und Arbeitswillen.
Art. 84 Abs. 5 AIG räumt als Härtefallbewilligung keinen Rechtsanspruch ein (BGer 2C_195/2010 vom 23. Juni 2010 E. 6.3; vgl. zur Entstehungsgeschichte R. Illes, in: Caroni/Gächter/Thurnherr [Hrsg.], Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer, Stämpflis Handkommentar, Bern 2010, N 1 und 27 zu Art. 84 AuG). Das Verwaltungsgericht hat sich darauf zu beschränken, über die Einhaltung des Ermessensspielraums zu wachen und darf nur einschreiten, wenn die Vorinstanz das ihr zustehende Ermessen unter- überschritten missbraucht hat (Cavelti/ Vögeli, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen, 2. Aufl. 2003, Rz. 740; Art. 61
Abs. 1 VRP).
Die Vorinstanz erwog, die Beschwerdeführerin erfülle mit ihrem langen Aufenthalt in der Schweiz klarerweise die zeitliche Voraussetzung für eine vertiefte Prüfung der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Angesichts ihrer langjährigen Anwesenheit sei folglich nicht davon auszugehen, dass in absehbarer Zeit eine Rückkehr in die Türkei als zumutbar angesehen werden würde. Die Aufhebung ihrer vorläufigen Aufnahme stehe ohnehin nicht in Frage. Bezüglich der Familienverhältnisse verfügten die drei Töchter mittlerweile über Aufenthaltsbewilligungen, weshalb bei der Beschwerdeführerin grundsätzlich von einem verstärkten Interesse an der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auszugehen sei. Die Vorinstanz stellt sich auf den Standpunkt, dass die vorgebrachten Umstände, wonach sich die Beschwerdeführerin seit der Einreise strafrechtlich stets wohlverhalten habe und über keine Betreibungen verfüge, keine besondere Leistung darstelle. Die Respektierung der Rechtsordnung
werde im Rahmen einer ordnungsgemässen Integration in der Schweiz erwartet. Die Integration der Beschwerdeführerin sei aber sowohl in wirtschaftlicher als auch in persönlicher/sozialer Hinsicht vielmehr mit nicht unerheblichen Defiziten behaftet, wobei sich insbesondere die finanziellen Verhältnisse weiterhin als unzureichend erwiesen. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann seien seit Dezember 2007 von der Sozialhilfe abhängig und erhielten vom Sozialamt X. Sozialhilfeleistungen von monatlich zwischen CHF 100 und 400 (zuzüglich Krankenkassenprämien von monatlich rund CHF 800). Zwar arbeite die Beschwerdeführerin seit September 2007 als Reinigungsfachfrau bei der Firma Q. und trage mit ihrem derzeitigen Einkommen als Teilzeitangestellte von monatlich rund CHF 1'000 zur Reduktion der monatlichen Sozialhilfeleistungen bei, diese Einkünften führten jedoch zu keiner Entspannung der finanziell anhaltend prekären Situation. Die Sozialhilfeschulden betrügen mittlerweile rund CHF 43'000 und seien in den letzten fünf Jahren um mehr als CHF 20'000 angestiegen. Hinzu komme, dass für die im gleichen Haushalt lebenden Kinder L. und P. derzeit Haushaltsentschädigungen im Umfang von monatlich mehreren Hundert Franken angerechnet würden. Fielen diese mit einem möglichen Auszug der Kinder in nächster Zeit weg, würden sich die monatlichen Sozialhilfeleistungen um diese Beträge erhöhen. Eine auf Dauer gesicherte wirtschaftliche Existenz liege damit nicht vor. Auch sei nicht dargetan, inwiefern es für die Beschwerdeführerin nicht möglich unzumutbar sei, ihre Erwerbstätigkeit – gegebenenfalls mit einer zusätzlichen Anstellung bei einem anderen Arbeitgeber – aufzustocken, zumal sie keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen anderweitige Hinderungsgründe belege und sich keine aus den Akten ergäben. Gemessen an ihrer Aufenthaltsdauer in der Schweiz bestünden auch in sprachlicher und sozialer Hinsicht lediglich akzeptable Deutschkenntnisse und ausgesprochen vage Angaben zu einem bestehenden Freundeskreis. Insgesamt liege deshalb kein persönlicher Härtefall vor. Das öffentliche Interesse an der Nichterteilung der Aufenthaltsbewilligung überwiege das private Interesse der Beschwerdeführerin. Als vorläufig Aufgenommene könne sie weiterhin in der Schweiz leben. Auch könne ihr unabhängig von der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage eine Bewilligung zur Erwerbstätigkeit erteilt werden.
Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, die in Art. 31 Abs. 1 VZAE aufgeführten Kriterien seien bei der Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt worden. Insbesondere seien ihre familiären und persönlichen Verhältnisse nicht ausreichend
geprüft und gewürdigt worden. Sowohl die Vorinstanz als auch das Migrationsamt hätten auf eine vertiefte, die gesamten Umstände erfassende Abwägung verzichtet und ihre Erwägungen einseitig auf die finanzielle Situation der Beschwerdeführerin beschränkt. Aus diesem Grund sei das Gesuch um Erteilung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. b AuG in der bis 1. Januar 2019 gültigen Fassung einer erneuten vertieften Prüfung zu unterziehen. Die Beschwerdeführerin führt auf, dass sie im Rahmen ihrer gesundheitlichen Möglichkeiten einer Erwerbstätigkeit nachgehe und ihr Pensum beim jetzigen Arbeitgeber im Moment nicht aufgestockt werden könne. Damit zeige sie ihren Willen zur Teilhabe am Wirtschaftsleben. Zu berücksichtigen sei, dass gemäss Gesetz und Rechtsprechung, selbst bei Sozialhilfeabhängigkeit eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden könne. Die Beschwerdeführerin sei des Schweizerdeutschen mächtig und könne sich im Alltag ohne Probleme verständigen. Sie sei auch bereit, sprachliche Defizite im Rahmen eines Sprachkurses auszugleichen. Auch habe sie keinerlei Bande mehr in ihr Herkunftsland, da sie nun seit annähernd 30 Jahren ihren Lebensmittelpunkt in der Schweiz habe und deshalb mit der Zeit auch die vollständigen Bürgerrechte erlangen möchte. Die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung wäre ein erster Schritt dahin und damit zu einer vollständigen Integration in der Schweiz. Eine Rückkehr sei nach so vielen Jahren sowohl in persönlicher und sozialer Hinsicht als auch aus humanitären Gesichtspunkten nicht zumutbar. Ausserdem würden die familiären Verhältnisse für eine gelungene Integration in der Schweiz sprechen. Jedoch seien diese und insbesondere die Situation der Kinder nicht ausreichend in die Entscheidfindung einbezogen worden. Die Familie befinde sich in dritter Generation in der Schweiz und eine allfällige Trennung der Enkelkinder von den Grosseltern wäre für deren Entwicklung nicht förderlich. Darüber hinaus sollten gemäss Art. 53 Abs. 1-4 AuG in
der bis 1. Januar 2019 gültigen Fassung Bund, Kantone und Gemeinden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben insbesondere das Anliegen der Integration berücksichtigen und im Speziellen sollten sie sich darum bemühen, Frauen und Kinder zu integrieren. Die Beschwerdeführerin führt weiter aus, sie sei einer enormen psychischen Belastung durch die Ungewissheit bezüglich ihrer zukünftigen Aufenthaltssituation ausgesetzt. Sie wirft ausserdem die Frage auf, wie es sich mit dem Anwesenheitsrecht verhalte, wenn die als Provisorium konzipierte vorläufige Aufnahme über viele Jahre hinweg verlängert
und damit faktisch zu einem Dauerstatus werde (act. 11 S. 1). Danach sei ihr Fall unter dem Gesichtspunkt eines faktischen Aufenthaltsrechts zu prüfen.
Die Vorinstanz hat ihren Entscheid nachvollziehbar begründet und die wesentlichen Kriterien für die Beurteilung eines persönlichen Härtefalls berücksichtigt. Anzufügen ist allenfalls, dass die Vorinstanz – entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin – durchaus die familiären Verhältnisse berücksichtigt hat. Sie erwog, dass aufgrund der familiären Verhältnisse von einem verstärkten Interesse an der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auszugehen sei. Betreffend die finanzielle Situation macht die Beschwerdeführerin lediglich geltend, dass es ihr beim jetzigen Arbeitgeber nicht möglich sei, das Arbeitspensum aufzustocken. Wie die Vorinstanz richtigerweise feststellte, wird aus den Akten nicht ersichtlich, weshalb eine Erhöhung des Arbeitspensums – gegebenenfalls mit einer zusätzlichen Anstellung bei einem anderen Arbeitgeber – nicht möglich ist. In Bezug auf die sprachliche Integration (Dossier, S.
421) zeugt ein Niveau A1 in Deutsch angesichts der langen Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführerin in der Schweiz von einer unterdurchschnittlichen Integration in sprachlicher und demzufolge auch sozialer Hinsicht. Auch vermag die Beschwerdeführerin mit der vagen Aussage, regelmässigen Kontakt mit Schweizer Kolleginnen zu haben (vgl. Dossier, S. 428), keine besondere soziale Integration zu bezeugen. Die Ablehnungsgründe der Vorinstanz zielen somit nicht ausschliesslich auf die finanzielle Situation der Beschwerdeführerin ab. Es ist verständlich, dass die Beschwerdeführerin die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als Schritt auf dem Weg zur schweizerischen Staatsangehörigkeit ansieht und diese anstrebt, jedoch begründet dies keinen Härtefall. Weiter lässt auch auf keinen Härtefall schliessen, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der Ungewissheit bezüglich ihrer zukünftigen Aufenthaltssituation einer psychischen Belastung ausgesetzt sei. Die gesetzlichen Bestimmungen betreffend den Härtefall haben nicht zum Zweck, den Weg zu einer schweizerischen Staatsangehörigkeit zu ebnen, sondern eine persönliche Notlage zu verhindern. Eine solche persönliche Notlage liegt bei der Beschwerdeführerin nicht vor.
Zu bemerken ist weiter, dass die von der Beschwerdeführerin aufgerufene Norm
(Art. 53 AIG), keine einklagbare Verpflichtung schafft, sondern eher programmatischer und grundsätzlicher Natur ist (A. Achermann, in: Caroni/Gächter/Thurnherr [Hrsg.], a.a.O., N 4 zu Art. 53 AuG). Auf die Rüge ist daher nicht weiter einzugehen. Die Vorinstanz hat ihr Ermessen somit rechtmässig ausgeübt.
Soweit die Beschwerdeführerin sich auf die Art. 62 Abs. 1 lit. e und Art. 63 Abs. 1 lit. c AIG stützt, muss festgestellt werden, dass die genannten Normen in diesem Fall nicht zur Anwendung kommen. Sowohl Art. 62 als auch Art. 63 AIG regeln den Widerruf einerseits von Bewilligungen im Allgemeinen und andererseits der Niederlassungsbewilligung im Speziellen. Streitgegenstand ist hier aber nicht ein Widerruf, sondern die Verweigerung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung. Aus diesem Grund muss auf die vorgebrachte Rüge nicht näher eingegangen werden. Zu ergänzen ist allenfalls, dass sich das Migrationsamt in seinem Entscheid (Dossier, S. 462, S. 3) bei der Begründung nicht direkt auf Art. 62 und Art. 63 AIG stützt, sondern lediglich darauf verweist, weil die Angewiesenheit auf Sozialhilfe einen Widerrufsgrund darstellt. Selbst wenn die Beschwerdeführerin keinen der in Art. 62 und 63 AuG genannten Widerrufsgründe erfüllt, kann sie daraus nicht ableiten, die Abweisung ihres Begehrens um Erteilung einer Härtefallbewilligung stelle einen Ermessensmissbrauch dar.
Gemäss der Beschwerdeführerin soll das Gesuch unter dem Gesichtspunkt eines faktischen Aufenthaltsrechts geprüft werden. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung, wonach eine über viele Jahre hinweg verlängerte vorläufige Aufnahme faktisch zu einem Dauerstatus wird und unter diesen Umständen ein faktisches Anwesenheitsrecht begründet, bezieht sich auf Fälle, in denen einerseits ein Familiennachzug andererseits die Wegweisung einer Person zur Debatte stand. Im vorliegenden Fall geht es weder um einen Fall des Familiennachzuges noch steht die Wegweisung der Beschwerdeführerin in Frage. Der unbestritten lange Aufenthalt der Beschwerdeführerin in der Schweiz wurde bereits bei der Prüfung der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung von der Vorinstanz angemessen berücksichtigt. Ausserdem vermag die lange Anwesenheit in der Schweiz allein keinen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu verschaffen (vgl. BGE 130 II 281 E. 3.3; BGE 126 II 377
E. 2c/aa) mit Hinweisen). Der Einwand erweist sich deshalb als unbehelflich.
Zusammenfassend können der Vorinstanz keine Rechtsfehler vorgeworfen werden. Die Beschwerde erweist sich deshalb als unbegründet und ist abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die amtlichen Kosten des
Beschwerdeverfahrens der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 95 Abs. 1 VRP). Sie
gehen indessen zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zulasten des Staates (vgl. Art. 99 Abs. 2 VRP in Verbindung mit Art. 122 Abs. 1 Ingress und lit. b der Schweizerischen Zivilprozessordnung, SR 272, ZPO). Eine Entscheidgebühr von
CHF 2'000 erscheint angemessen (Art. 7 Ziff. 222 der Gerichtskostenverordnung, sGS 941.12). Auf die Erhebung ist zu verzichten (Art. 95 Abs. 3 VRP). Ausseramtliche Kosten sind angesichts der fehlenden berufsmässigen und entgeltlichen Vertretung der unterliegenden Beschwerdeführerin weder aufgrund des Verfahrensausgangs noch zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung zu entschädigen (Art. 98
Abs. 1 und 98bis VRP).
Demnach erkennt das Verwaltungsgericht auf dem Zirkulationsweg zu Recht:
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Die amtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens von CHF 2'000 werden der Beschwerdeführerin auferlegt und gehen zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege zulasten des Staates. Auf die Erhebung wird verzichtet.
Ausseramtliche Kosten werden nicht entschädigt.
Der Abteilungspräsident Die a.o. Gerichtsschreiberin
Zürn Dragomirovic
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